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Wie sie entstehen und vermieden werden können.
Die Zahl überlastungsbedingter Verletzungen wie ein Läuferknie, Ermüdungsbrüche oder Sehnenprobleme nimmt immer weiter zu. Die Ursachen hierfür sind dabei meistens hausgemacht. Das sagen zumindest die Autoren Dr. Thomas May und Wieland Heiser. Sie haben die Ursachen solcher Verletzungen untersucht und zeigen einfache Lösungsansätze mit Hilfe einer Methodik (POSE METHOD®) für dieses immer häufiger auftretende Problem.
Das Laufen auf zwei Beinen hat die Evolution des Menschen entscheidend verändert: Erst der aufrechte Gang hat uns Fähigkeiten wie komplexes Denken, Teamarbeit, Werkzeuggebrauch und das Nutzen der Sprache ermöglicht. Zu diesen Erkenntnissen kam Daniel E. Lieberman, leidenschaftlicher Läufer und Lehrstuhlinhaber für Evolutionsbiologie des Menschen an der Harvard University in Cambridge, USA. Er forscht zur Biomechanik des Laufens. Seiner Meinung nach ist der Mensch zum Laufen geboren. Unsere Art zu laufen ist einzigartig in der Natur. Und ganz nebenbei: Der Mensch ist der beste Langstreckenläufer der Erde. Normal ist, dass wir täglich 9 bis 15 Kilometer zu Fuß zurücklegen. Naturvölker tun dies auch heute noch, ohne sich andauernd zu verletzen.
Warum sind so viele Läufer immer wieder verletzt?
Naturvölker leiden seltener an Laufverletzungen. Mit Sicherheit spielen viele Faktoren eine Rolle. Bei der Ursachenforschung haben wir uns mit den Themen Biomechanik und Lauftechnik näher beschäftigt und dabei sind uns einige Dinge aufgefallen: Naturvölker laufen primär ohne Schuhdämpfung, oder barfuß. Somit trainieren sie ihre Füße von Kindesbeinen an stetig; ihre Füße sind flexibel und deutlich kräftiger als unsere in Schuhe gezwengte, enge, mit Sprengung und Dämpfung aufsgestatteten Hightech-Treter. Unsere Füße sind dadurch steif(er) und können sich der Belastung weniger gut anpassen. Heutige Läufer haben durch diese Umstände einen schlechter trainierten Fuß und dabei ist der Fuß doch das Körperteil, das für das Laufen am wichtigsten ist. Barfußläufer müssen sich zudem mit einer anderen Lauftechnik (nicht Laufstil!) bewegen als Läufer mit modernen Laufschuhen, denn sie können nicht auf der Ferse landen. Das hat uns erst der moderne Laufschuh mit seiner bequemen Dämpfung ab Mitte der 1970er-Jahre ermöglicht.
Durch diese sogenannte Schuhdämpfung sind wir erst in die Lage gekommen, daß wir – wie beim Gehen – auf der Ferse landen können. Laufen (Joggen) hat aber im Gegensatz zum Gehen eine ca. 2-3 mal größere Aufprallkraft! Bei einem 80kg schweren Läufer liegen wir somit bei ca. 200-240kg Belastung pro Bein/Schritt – wenn wir mit der Ferse zuerst landen, erhöht sich dieser Wert um das Zweifache pro Bein/Schritt! Da hilft auch nicht mehr die Dämpfung des Hightech-Schuhs – diese ist zum Teil daran beteiligt, das diese Bodenreaktionskräfte wieder – von der Wahrnehmung ausgeschlossen – in unseren Körper zurück gelangen und dort quasi „unbemerkt“ einen erheblichen Schaden anrichten können.
Welche Verletzungen treten häufig auf?
In der Regel sind vorwiegend die unteren Extremitäten betroffen – Verletzungen wie z.B. Plantarfasziitis, Fersensporn, Achillodynie, Shin Splints, Kompartmentsyndrom, Ermüdungsbrüche, Runners-Knee, Patellaspitzensyndrom etc. sind keine Seltenheit mehr!
Die Verletzungen kündigen sich i.d.R. mit einem leichten Ziehen oder Stechen an und werden bei Nichtbeachtung immer stärker bis sie den Läufer schließlich in eine Trainingspause zwingen. Der Gang zum Physiotherapeuten oder Sportmediziner ist dann unausweichlich. Je nach Verletzungsgrad kann die Behandlung von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten andauern – schlimmstenfalls bedeutet es das „Aus“ der Läuferkarriere.
Welche Fehler machen Läufer häufig?
Zunächst wird durch die deutliche Fersensprengung (Höhenunterschied: Ferse vs. Vorfuß im Schuh) die Körperbalance aus dem Gleichgewicht gebracht – so muss der Läufer eine erhebliche muskuläre Mehrarbeit in Punkte Stabilisierung des Körpers erbringen, dies bedeutet gleichzeitig mehr Sauerstoffverbrauch während des Trainings und Wettkampfs. Zweitens wird durch die Dämpfung der Laufschuhe die Wahrnehmung total verschleiert, so dass sich der Läufer quasi ohne Kontrolle bewegen kann und somit sehr häufig wie beim Gehen auf der Ferse landet (etwa 80% aller Läufer sind Fersenläufer – und ca. 85% der Läufer weisen häufig identische Läuferverletzungen auf). Zudem kommt in vielen Fällen eine zu große Schrittlänge hinzu und dadurch bedingt eine zu niedrige Kadenz (Schrittfrequenz) die u.a. dazu beitragen würde, das körpereigene Dämpfungssystem der Muskel-Sehnen-Strukturen (Faszien) anzutriggern bzw. optimal auszunutzen und die Aufprallkräfte zu eleminieren oder abzuleiten!
Was sollten Läufer beachten?
Häufig stellen wir bei Läufern eine zu geringe Beweglichkeit der unteren Extremitäten, sowie einen Mangel an kräftiger Fuss- und Beinmuskulatur fest. Leider wird immer noch bei vielen mehr Wert auf (wöchentliche) Laufkilometer anstatt auf eine gut vorbereitete Strukturbasis bzw. Lauftechnik gelegt! Stichwort: Lauf-ABC – dies bedeutet nicht, das sich durch „gut gemeinte“ Übungen im Vorfeld des Laufens die Lauftechnik als solches verändert, vielmehr dient dieses ungeliebte Vorbereiten eher als WarmUp anstatt den Technikverbesserungen. Ein gutes und vor allem regelmässig(!) durchgeführtes Lauftechnik-Training wäre in vielerei Hinsicht preventiv, was wiederum die Verletzungsanfälligkeit reduziert bzw. die Ergebnisse deutlich verbessert – sowohl im Streckenumfang als auch in der Laufgeschwindigkeit.
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Wie sieht eine optimale Lauftechnik aus? Aus welchen Phasen besteht die Laufbewegung?
Mit der richtigen Lauftechnik können deine Kunden auf dem Vorderfuß unterhalb des Körperschwerpunktes landen, die körpereigenen Dämpfungssysteme nutzen und somit effizienter laufen und gleichzeitig Verletzungen vorbeugen. Nur ein veränderter Fußaufsatz (Vorfuß anstatt Ferse – durch eine veränderte Flexion im Fußgelenk) bringt noch keine Verbesserung in Punkto Verletzungsprävention oder Geschwindigkeitszuwachs – im Gegenteil – die Überlastungsbereiche werden nur auf andere Körperstrukturen verschoben!
Das Landen auf dem Fußballen, möglichst nahe unterhalb des Körperschwerpunkts (GCM), ist das natürliche Aufkommen des Fußes auf dem Boden bei welchem alle Parameter in Richtung Optimum verlaufen – nicht vergessen(!) die Ferse darf danach ‚leicht‘ den Boden berühren, damit unsere körpereigenen Dämpfungssysteme den Aufprall ableiten können. Schau dir Seilspringer oder barfuß laufende Kinder an – sie landen instinktiv auf dem Fußballen – die Ferse setzt im Optimalfall nur kurzzeitig leicht auf. Jeder Läufer, der die Schuhe auszieht und einige Meter barfuß läuft, landet nicht mehr auf der Ferse!
Die richtige Laufbewegung stellt eine relativ einfache biomechanische Bewegung dar – sie besteht lediglich aus drei Phasen: Stützphase – Antriebsphase – Schwungphase. Jede weitere Addition von Aktionen ist überflüssig – selbst ein aktives Abdrücken über die Beinstrecker (Hüft-, Knie- und/oder Sprunggelenk) oder „aktive zusätzliche Armarbeit“ sind überflüssig (siehe Studie: Extensor´s Paradox / Irene S. McClay, Mark J. Lake und Peter R. Cavanagh, 1990). Diese Studie besagt, dass in dem Moment, in dem der Supportfuß den Boden verlässt, kein Körpergewicht mehr auf diesem Punkt lastet. Die Oberschenkel-Streckmuskulatur (Extensor inkl. der gesamten Kette) werden bereits inaktiv, wenn sich nur noch ca. 30 Prozent des Körpergewichts auf dem Supportfuß befinden. Der Extensor hat seine maximale Aktivität während der Lande- und Stabilisierungsphase, wenn sich der Körperschwerpunkt genau über dem Bodenkontaktpunkt befindet. Das heißt, der Extensor stabilisiert die (Lauf-)Bewegung und hält den Körper im Gleichgewicht, ist jedoch für den „vermeintlichen aktiven Abdruck“ komplett inaktiv!
Was sind die Grundzüge der 1977 von Dr. Nicholas Romanov entwickelten POSE METHOD®?
Worin besteht der biomechanische Vorteil, auf dem Vorfuß zu landen? Beim Fersenaufsatz erfahren Athleten Aufprallkräfte, welche in sieben bis zehn Millisekunden vom Fuß über die Knochenstrukturen bis in den Kopf weitergeleitet werden. Der Schuh dämpft den Aufprall nur scheinbar ab, sodass der Läufer kein Schmerzsignal erfährt (die Wahrnehmungssteuerung [Schutzreflex] wird dabei ausgeschaltet). Aber – die Aufprallkräfte treffen alle Gelenke bis in die Halswirbelsäule. Je stärker der Schuh gedämpft ist, desto weniger Gefühl (Wahrnehmung) haben wir dabei und desto weniger nehmen wir die Aufprall- und Scherkräfte im restlichen Körper als fehlerhaft wahr! Ein Fersenaufsatz bedeutet i.d.R. auch eine größere Schrittlänge und dadurch eine längere Bodenkontaktzeit bei welcher die (Brems-)Kräfte auf unseren Körper einwirken können und Schaden anrichten. Stöße bedeuten erhöhte Belastungen für Gelenke, Sehnen, Bänder und Knorpel, längere Bodenkontaktzeiten bedeuten lange Zugbelastungen sowie ungünstige Scherkräfte auf die Achillessehne und Tibiastrukturen. Bedingt wird dies durch den hohen Schuhaufbau (Dämpfungselemente größtenteils aus EVA-Schaum) sowie die Sprengung im Schuh und dem daraus resultierenden Hebel.
Mit der Lauftechnik nach Pose Method® wirken wir den o.g. abweichenden Bedingungen zum Lauftechnik-Standard entgegen und bringen den Läufer wieder zurück in sein natürliches Bewegungs- und Belastungsmuster und reduzieren somit die Belastungen um bis zu 50% im Vergleich zum Fersen- oder Vorfußlauf – vorrausgesetzt die Empfehlungen wie Kraft- & Flexibilitätstraining, die vorbereitenden Trainingsübungen (POSE – FALL – PULL) sowie weitere Parameter wie Schrittlänge und Kadenz werden beachtet und auf den individuellen Läufertyp und Laufgeschwindigkeit adaptiert!
Diese einfache Kette (POSE – FALL – PULL) stellt die Einfachheit der Laufbewegung dar die wir mit Hilfe von einfachen Übungen (DRILLS) umsetzten können.
Nach dem Pose Method®-Standard bedeutet dies, dass wir speziell das „FALLING“ und das „PULLING“ in einer zeitlich optimal aufeinander abgestimmten Reihenfolge umsetzten müssen. Nur die kleinste Abweichung dessen, hat zur Folge, dass die gesamte Laufbewegung als Zyklus nicht mehr zusammenpasst und der Körper versucht Ausweichbewegungen zu finden. Dies ist häufig die Ursache für immer wiederkehrende Verletzungen die typischerweise an der gleichen Körperregion auftreten!
Bildquelle • by Romanov Academy [Pose Method Inc.]
Welche Technikdrills und Übungen zu Stabilität/Mobilität sind für Läufer empfehlenswert?
Beim Aufsatz mit dem Fußballen nahe unter dem Körperschwerpunkt nutzen wir unsere natürlichen Dämpfungselemente, die in unserem Fuß/Unterschenkel sind. Das ist kostenlose (Faszien-)Energie, die wir während des Laufens nutzen können (Muskel-Sehnen-Elastizität), wenn wir die vorbereitenden Lauftechnik-Drills entsprechend danach ausrichten: z.B. Seilspringen oder leichte Sprungübungen (Bsp. Toes In/Out, Twist, Criss Cross, Box Jumps, … etc.).
Weiterhin sollten Athleten darauf achten das sie den Fuß/Unterschenkel über die Hamstrings direkt nach oben unter die Hüfte ziehen und dabei den Hüftbeuger so wenig als möglich aktivieren (kein aktives Knieheben)! Das Kräfte- sowie Beschleunigungsverhältnis ist über die Hamstrings deutlich besser und effizienter.
Die Balance (Grundposition POSE) wird über spezielle Gleichgewichts- und Kraftigungsübungen trainiert, um die Wahrnehmung und das eigene Körpergefühl zu steigern (z.B. Thekenstand, Hip Dips, Rope Jumps on 1-leg, Tapping, POSE Stance, Pony, Change of Support, … etc.).
FALLING ist die Beschleunigung innerhalb der Laufbewegung und wird durch die Schwerkraft maßgeblich bestimmt und über den Fallwinkel an die gewünschte Laufgeschwindigkeit angepasst. Je größer der Winkel desto mehr Geschwindigkeit. Dabei fokusierst du dich auf deinen Körperschwerpunkt (GCM) der die „Führung“ bei dieser Fallbewegung hat. Der Oberkörper bleibt weiterhin aufrecht/senkrecht – nicht wie häufig bei Läufern zu sehen, daß der Oberkörper in der Hüfte nach vorne abknickt, um so beschleunigen zu wollen – damit erreicht dein Athlet genau das Gegenteil; keine Beschleunigung!
Um die Laufbewegung immer wieder zu reproduzieren, ist eine weitere Aktion notwendig – das PULLING. Die Fallbewegung wird durch das schnelle hochziehen (über die Hamstrings) des Supportfußes unter die Hüfte beendet. In diesen Moment ist es wichtig das freie (andere) Bein entspannt Richtung Boden fallen zu lassen. Keine aktive Beschleunigung nach unten oder ein „greifender Schritt“ – wie es immer noch in der klassischen Leichtathletik geschult wird! Der Fuß landet möglichst nahe unter dem Körperschwerpunkt, um in die nächste POSE zu gelangen. Jetzt beginnt der Kreislauf von neuem. Der Athlet läuft nun effizient und belastungsarm.
Es gilt darauf zu achten, das sich der Fokus auf das PULLING und die entsprechende Zughöhe richtet. FALLING geschieht von selbst – vorausgesetzt wir lassen es zu. Wenn wir versuchen eine Kraft die stetig, konstant und mächtiger als alles andere ist, zu kontrollieren, werden wir mit Sicherheit den Kürzeren ziehen und es bleibt nur eine Frage der Zeit, wann die Überlastung oder Verletzung herausbricht. Damit sich Athleten verletzungsfrei bewegen können, ist der Körper in einer Position zu halten, die es der Schwerkraft erlaubt, möglichst effizient zu „arbeiten“ – einem konstanten Fallwinkel.
Die Lauftechnik umstellen
Für die Umstellung auf die Lauftechnik nach Pose Method®-Standard benötigt ein Läufer ca. vier bis sechs Monate, um die Technik neu umzusetzen und um wieder auf altem (Wettkampf-)Niveau an den Start zu gehen. Er muss allerdings dazu bereit sein, die Lauftechnik konsequent und korrekt zu erlernen und zusätzlich regelmäßig Kraft- und Flexibilitätsübungen für seinen Körper in sein Training sowie Lauftechnikübungen integrieren. Dazu gehören nicht nur die Beine. Wir benötigen ebenso einen starken Rumpf und einen lockeren Oberkörper, um richtig laufen zu lernen.
Prinzipiell sind Minimalschuhe mit geringer Dämpfung zu bevorzugen, da die Schuhe beim Landen auf dem Vorfuß keinen Aufprall mehr im herkömmlichen Sinne abdämpfen müssen. Einlagen und moderne Laufschuhe schwächen die Struktur der Füße und Läufer brauchen dringend stärkere Füße! Außerdem sollte auf Einlagen soweit als möglich verzichtet werden, um die Federenergie des Fußgewölbes zu nutzen. Diese wird durch die Landung auf dem Fußballen in Verbindung mit einer höheren Schrittfrequenz genutzt. Voraussetzung für das Weglassen der gewohnten Einlage ist allerdings auch das oben beschriebene sehr regelmäßige Kräftigungs- und Flexibilitätstraining! Wie bei jedem Training heißt es auch hier: Regelmäßigkeit ist das A und O!
Laufverletzungen sind hausgemacht!
Es zeigt sich immer deutlicher, dass wir bei Laufverletzungen gegen ein hausgemachtes Problem kämpfen, mit den bisherigen Ansätzen (deutlich gesprengte, weiche Laufschuhe, Einlagen etc.) am falschen Ende therapieren und das Problem des schwachen Fußes dadurch eher verstärken.
Das Ziel sollte daher sein, mit einer effizienten Lauftechnik und den richtigen Kräftigungs- und Flexibilitätsübungen einen starken Körper zu trainieren, der den tatsächlichen Laufbelastungen gewachsen ist!
Die Autoren
Dr. med. Thomas May | Praxis-Dr-May.de
Allgemein- und Sportmediziner aus Lahr (Schwarzwald) sowie Spezialist in Chirotherapie und Notfallmedizin und Pose Method® Certified Running Coach.
Wieland Heiser | Mastering-Movement.eu
Head-Coach und Ausbilder der Pose Method® für den europ. Raum – einem (Lauftechnikstandard-)Modell und Methodik, um das richtige, funktionelle, effiziente und verletzungsfreie Laufen zu erlernen und zu unterrichten.